23. Januar 2020 – Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
letzte Woche fand die 85. Internationale Grüne Woche in Berlin statt.
Der Protest der Bauern war auch dort im Stadtbild zu sehen. Trecker und landwirtschaftlichen Fahrzeugen am Donnerstag, die unter dem Motto „Land schafft Verbindung“ protestierten. Und am Samstag, fand zum 10. Mal die Kundgebung unter dem Motto: „wir haben es satt“ statt.
Im ganzen Land gehen die Landwirte auf die Straße, weil sie sich von der „Politik“ im Stich gelassen fühlen.
Als Bauerntochter kann ich dieses gut nachempfinden. Seit 2005 ist das Landwirtschaftsministerium in der Verantwortung der CDU/CSU. In dieser Zeit ist wenig konkret umgesetzt worden. Ferkelkastration, Kennzeichnung Fleisch, Kastenstand bei den Sauen, Düngeverordnung oder Insektenschutz. Jetzt drohen Strafzahlungen – jetzt muss endlich etwas passieren.
Des weiteren kommt hinzu, dass sich die Landwirtschaft seit Jahrzehnten danach ausrichtet:
„Wachsen oder weichen, spezialisieren und für den Weltmarkt produzieren“. Mit dem Ergebnis, dass diese Geschichte heute zu Ende erzählt ist. Wir haben es in der Antwort zur Großen Anfrage zur Ernährungsindustrie ja gesehen: Es wird vor allem an der Landwirtschaft verdient, nicht aber in der Landwirtschaft. Im nachgelagerten Bereich wird das Geld verdient. Es ist daher verständlich, dass sich viele Landwirte einem enormen wirtschaftlichen Druck unterlegen fühlen. Doch wer trägt daran die Schuld? Etwa nur die Politik? Diese Kritik greift zu kurz.
Die Erlöse der Landwirtinnen und Landwirte sind großem Preisdruck ausgesetzt: Die enorme Marktmacht der Lebensmittelkonzerne und des Einzelhandels drückt die Erzeugerpreise immer weiter in den Keller. Landwirtinnen und Landwirte sollen immer günstiger produzieren und dabei gleichzeitig immer mehr Vorgaben einhalten. So können sie kaum noch ihre tatsächlichen Kosten decken.
Doch mit Blick in unsere Obst- und Gemüsetheken im Supermarkt stellen wir fest: In kaum einem anderen Industrieland sind Lebensmittel so günstig wie hier..
Doch zu den geringen Erträgen kommt noch ein weiteres Problem hinzu, auf welches ich an dieser Stelle schon mehrfach aufmerksam gemacht habe: Für nötige Investitionen ist ein enormer Kapitaleinsatz erforderlich. Hinzu kommen Pacht- und Bodenpreise, die ebenso stark gestiegen sind. Für viel Landwirte kaum zu schaffen.
Nur wenn wir es schaffen mit allen Akteuren und Interessensvertretern diese Erwartungen und Herausforderungen zu meistern, wird daraus ein Zukunftsplan für unsere Landwirtschaft.
Auf diese grundlegenden Probleme muss eine Enquetekommission Antworten finden und Zukunftsstrategien erarbeiten. Deshalb werden wir dem FDP-Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission an dieser Stelle zustimmen.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist jedoch klar:
Wir müssen der Landwirtschaft eine Grundlage geben, die gute Arbeit ihres Berufsstands mit verlässlichen, nachhaltigen und fairen Rahmenbedingungen durchführen zu können. Dazu brauchen wir vor allem eine starke heimische und regionale Landwirtschaft: Eine Landwirtschaft, die durch moderne, umweltverträgliche und vor allem nachhaltige Bewirtschaftung eine Perspektive für die Zukunft hat, in dem sie vor Ort ihre Produkte produziert, die hier in der Region auch verkauft und auch konsumiert werden.
Eine gesunde, ausgewogene und regionale Ernährung ist unabdingbar für gesundes Leben und einen starken ländlichen Raum. Wenn wir es schaffen, regionale Wertschöpfungsketten noch weiter auszubauen, können wir nicht nur die Region stärken, sondern auch den wirtschaftlichen Druck einer globalisierten Landwirtschaftsindustrie mindern.
Die Europäische Kommission wird im Frühjahr 2020 seine Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ vorstellen. Eine gute Orientierungshilfe, die auch für unsere gemeinschaftliche Arbeit in der Enquetekommission eine gute Hilfestellung sein kann.
Till Backhaus, Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern hat es zur Eröffnung der Grünen Woche auf den Punkt gebracht: „Landwirtschaft ist Teil der Lösung und nicht Teil des Problems!“ In diesem Sinne freuen wir uns auf die Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Enquetekommission.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.